Vor einigen Jahren nickte der Partner einer Wirtschaftskanzlei zustimmen, als ich während eines Schreibtrainings Regel Nummer Vier („Aktiv formulieren“) erläuterte. Kurze Zeit später meldete er sich zu Wort und ergänzte: Die Tendenz zum Passiv sei insbesondere in Vertragsentwürfen ein „ständiges Ärgernis“. Immer wieder müsse er Vorlagen jüngerer Kollegen dahingehend korrigieren.

Ich hielt das damals, ehrlich gesagt, für übertrieben. Dass sie in Verträgen Ross und Reiter nennen müssen und nicht ins Passiv verfallen dürfen, müsste doch selbst Berufsanfängern klar sein, dachte ich – Sprachbegabung hin oder her.

Heute muss ich Abbitte leisten. Denn seither hat sich herausgestellt: Selbst erfahrene Juristen haben reihenweise Vertragsklauseln formuliert, die der Bundesgerichtshof als unverständlich oder gar widersprüchlich (und damit unwirksam) eingestuft hat. Die Rede ist von Kreditverträgen – genauer gesagt von den „Widerrufsklauseln“.

Unverständliche Formulierungen? Der Joker sticht!

Hunderttausende Immobilienbesitzer konnten deshalb in den letzten Jahren teure Kredite widerrufen und sich deutlich günstigere Zinsen sichern, ohne eine „Vorfälligkeitsentschädigung“ zu zahlen. Und jetzt ziehen Autobesitzer nach, die ihr Fahrzeug finanziert haben: Viele von ihnen können den Kauf per „Widerrufsjoker“ rückabwickeln und ihren Diesel ohne Wertverlust loswerden.

Aber was haben die Banken da so getextet? Um nur einige Beispiele zu nennen:

„Hat der Darlehensnehmer das Darlehen empfangen, gilt der Widerruf als nicht erfolgt, wenn er das Darlehen nicht binnen zweier Wochen entweder nach Erklärung des Widerrufs oder nach Auszahlung des Darlehens zurückzahlt.“ (doppelte Negation – immer schlecht fürs Verständnis)

„Die Frist beginnt frühestens mit Erhalt dieser Belehrung in Textform.“ (aber wann genau?)

„Der Lauf der Frist für den Widerruf beginnt einen Tag, nachdem dem Darlehensnehmer diese Belehrung mitgeteilt und eine Vertragsurkunde, der schriftliche Darlehensantrag oder eine Abschrift der Vertragsurkunde oder des Darlehensantrages zur Verfügung gestellt wurde.“ (additive oder alternative Bedingung?)

Fußnote: „Bitte Frist im Einzelfall prüfen“ (aber wer?)

Wenn Wortakrobaten im Ungefähren bleiben

Sicher: Klassische Passiv-Konstruktionen haben die Wortakrobaten aus der Finanzbranche vermieden. Aber durch Schachtelsätze, eine unglückliche Wortwahl und/oder unbedachte Fußnoten bleibt dennoch im Ungefähren, wer wann was machen muss.

Fein raus war bislang lediglich die Deutsche Bank – ihre Widerrufsklauseln galten als unangreifbar. Doch nach Angaben einer Kanzlei hat ein OLG-Richter nun in einer mündlichen Verhandlung kritisiert: Der Hinweis, dass die Frist beginne, nachdem „[…] die Vertragsurkunde oder eine Abschrift der Vertragsurkunde zur Verfügung gestellt wurden“, sei für durchschnittliche Kunde nicht zu verstehen.

Wir dürfen also gespannt sein, ob sich das Geldhaus auch weiterhin rechtssicher formulierter Kreditverträge rühmen darf.